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Vorträge Dr. Andrea Münnich: “Fruchtbarkeitststörungen” & “Erkrankungen der Welpen”
Am 6.Dezember 2009 referierte im Kongresszentrum der Westfalenhallen in Dortmund im Auftrag der VDH Akademie Frau Dr. Andrea Münnich, Fachtierärztin für Neonatologie (Neugeborenenmedizin) und Reproduktionsmedizin bei Hunden. Ich hatte zwei Vorträge gebucht, den Anfang machten „Fruchtbarkeitsstörungen bei Hunden“, für den Nachmittag war dann das Thema „Erkrankungen der Welpen“ vorgesehen.
Wer erwartete, erst mal bei einer gemütlichen Einleitung wach werden zu können (so wie ich, ich bekenne mich schuldig), hatte sich gründlich getäuscht, bereits nach 5 Minuten hatte ich das Gefühl, ich säße in einer Uni-Lesung Mikrobiologie 6tes Semester…es war phantastisch! - ein etwas anderes „Hallo-wach“!
Dr. Münnich zog das sehr straffe Programm „gnadenlos“ durch, ihr Vortrag war bestens strukturiert, und trotz der wissenschaftlich-theoretischen Darstellung eng an der Praxis orientiert.
Läufigkeitsstörungen, falscher Deckzeitpunkt, Resorption und Abort, deren mögliche Ursachen sowie Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten wurden erläutert und mit Fotos aus der Praxis veranschaulicht. Besonders die Bilder von Präparaten aus der Pathologie waren hochinteressant, wenn auch teilweise recht unangenehm für Neulinge solcher Anblicke - wie das gelegentliche, etwas gequält wirkende Raunen im Publikum verriet;).
Ein wenig medizinische Vorbildung, zumindest die Geläufigkeit der Fachausdrücke rund um die hundliche Reproduktion, war meines Erachtens hilfreich bis notwendig, um Dr. Münnich folgen zu können. Umso mehr Spaß machte der Vortrag dann aber auch, und da die Zielgruppe Züchter sind, sollte man entsprechendes Vorwissen und Interesse wohl voraussetzen können;-).
Bedenkt man das äußerst komplexe Zusammenspiel aller Faktoren, die für eine erfolgreiche Fortpflanzung notwendig sind, und alle möglichen Störungen, sei es im Hormonsystem, sei es die Infektion mit Viren oder Bakterien, seien es körperliche Missbildungen oder Heilungsstörungen, andere Erkrankungen wie Krebs, oder auch der große Bereich Sexualverhalten - so muss man wirklich ehrfürchtig staunen, dass dieses ganze System so gut funktioniert und es überhaupt Leben gibt.
Ich kann diesen Vortrag wirklich nur jedem empfehlen, der sich für das Thema Zucht interessiert, und keine Angst vor dem Fachgebiet Medizin hat. Kleiner Tipp: Es schadet sicher nicht, ausgeschlafen dort zu erscheinen...;-)
Nach einer Mittagspause mit leckerem Essen im Restaurant ging es weiter in die zweite Runde: “Erkrankungen der Welpen”.
Wenn Welpen schwer erkranken oder sogar sterben, hat das im Wesentlichen zwei Ursachen: Ein Großteil der Todesfälle geht auf das Konto von Geburtsstörungen und der dadurch bedingten Hypoxie (Sauerstoffmangel), gefolgt von bakteriellen und viralen Erkrankungen. Frau Dr. Münnich stellte zunächst jeweils den Normalfall dar, um dann Krankheitsbilder bzw. Anzeichen für Komplikationen abgrenzen zu können.
Wichtige spezifische Unterschiede zwischen dem Welpen und dem erwachsenen Hund sind teilweise nicht einmal Tierärzten bekannt, so haben Welpen z.B. eine signifikant niedrigere Körpertemperatur, höhere Herz- und Atemfrequenzen, und auch die Zusammensetzung des Blutes, u.a. die Häufigkeit roter und weißer Blutkörperchen, ist völlig anders zu beurteilen als bei erwachsenen Hunden. Gravierende Unterschiede z.B. bei der Verdauung, dem Abbau von Schadstoffen (Medikamente!) und der Immunabwehr müssen bei der Diagnostik ebenfalls stets berücksichtigt werden. Es schadet sicher nicht, wenn ein gut informierter Züchter seinen Tierarzt hier in Teilbereichen auch mal höflich (!) unterstützen kann, schließlich sind die allerwenigsten Tierärzte auf Neonatologie spezialisiert.
Auch dieser Vortrag war anspruchsvoll (allerdings wesentlich leichtere Kost als das Thema „Fruchtbarkeitststörungen“), wiederum prima strukturiert, und ebenso wie am Vormittag veranschaulichten viele Abbildungen die Symptome und Auswirkungen der angesprochenen Krankheitsbilder. Auch wenn Fotos von verendeten und teils schwer missgebildeten Welpen ganz und gar nichts Angenehmes sind, gehören nun mal auch diese Dinge zum Züchter-Einmaleins.
Besonders eindrucksvoll fand ich die Aufnahme einer Gesäugeentzündung, die ich -hätte ich nur das Foto gesehen- 100%ig einer länger währenden schweren Vernachlässigung der Mutterhündin zugeschrieben hätte. Tatsache war allerdings, dass extrem aggressive Bakterien innerhalb von nur wenigen Stunden fast das gesamte Gewebe zerfressen hatten, es sah furchtbar aus (konnte aber letztendlich geheilt werden - allerdings nicht ohne partiellen Verlust der Milchleiste).
Überhaupt war der Komplex Bakterien und Viren natürlich ein zentrales Thema, auch die beängstigende Entstehung und Verbreitung von resistenten Keimen - was auch humanmedizinisch eine Katastrophe ist, da Hund und Mensch sich ja durchaus viele Keime “teilen”, und die Notfall-/Reserve-Wirkstoffe aus der Humanmedizin im Veterinärbereich oft leichtfertig gegeben werden. Die Gabe von Antibiotika sollte also überlegter und vor allem gezielter sein, d.h. wo es möglich ist, sollte ein Bakteriogramm gemacht werden, um gezielt die pathogenen Keime bekämpfen zu können.
Natürlich wurden auch Wiederbelebungsmaßnahmen erklärt, Sofortmaßnahmen bei Krankheitsverdacht, mutterlose Aufzucht, Sondenernährung, Durchfallerkrankungen, Missbildungen wie Gaumenspalte und Schwimmersyndrom, Shunts usw.
Es war ein wirklich interessanter Tag, beide Vorträge fand ich höchst informativ und absolut empfehlenswert!
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